Inklusion: Bundesregierung muss UN-Auftrag umsetzen

[18.06.2018]  Anfrage

Der Besuch einer Förderschule wirkt stigmatisierend und verbaut vielen Kindern und Jugendlichen Chancen für den weiteren Lebensweg. Denn ungefähr drei Viertel der Förderschülerinnen und schüler verlassen ihre Schulen ohne Hauptschulabschluss und damit weitgehend ohne Chance auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Trotzdem gibt es kaum Anzeichen dafür, dass wir uns von der Exklusion behinderter Kinder und Jugendlicher verabschieden: 2016 lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, die Förderschulen besuchen, in den meisten Förderschwerpunkten höher als 2009, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort angibt.

Zwar lernen auch mehr Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf an Regelschulen. Doch das liegt daran, dass immer häufiger ein Förderbedarf festgestellt wird. Ganz drastisch ist das im Bereich „sozial-emotionale Entwicklung“, wie die Antwort der Bundesregierung zeigt: Hatten 2009 noch gut 58.7000 Schülerinnen und Schüler „sozial-emotionalen“ Förderbedarf, so waren es 2016 fast 86.800 – das ist ein Anstieg von ca. 48 Prozent.

Erkauft wird der kostspielige Erhalt des stigmatisierenden Sonderschulsystems mit der Unterfinanzierung des gemeinsamen Lernens an allgemeinen Schulen. Das führt auch das vielbeschworene Elternwahlrecht ad absurdum, denn eine schlechte Wahl ist keine echte Wahl.

Die Bundesregierung muss endlich den Auftrag der Vereinten Nationen umsetzen und gemeinsam mit den Ländern eine Strategie und einen Zeitplan entwickeln, um das deutsche Bildungssystem zu einem inklusiven System umzubauen. Leider zeigen fast alle Antworten, dass SPD und Union hier ambitionslos sind. Die beiden größeren bildungspolitischen Vorhaben, die im Koalitionsvertrag festgehalten sind, berücksichtigen Inklusion kaum: Auf welche Weise im Rahmen der geplanten „Investitionsoffensive für Schulen“ der barrierefreie Ausbau von Gebäuden gefördert wird, „wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein“, so die Bundesregierung (Frage/Antwort 11). Und ob der angekündigte Bildungsrat sich mit der inklusiven Bildung befassen sollte, darüber berate man noch (Fragen/Antwort 8-10).

Statt halbherzig hier und da Projektchen zu fördern und Inklusion in bildungspolitischen Vorhaben weitgehend auszuklammern, muss die Bundesregierung sich mit den Ländern auf klare Zielvorgaben verständigen und im Rahmen ihrer Möglichkeit dazu beitragen, dass sich die Bildungschancen behinderter Schülerinnen und Schüler verbessern.